Last Updated on 04.07.2023 by Domenico
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„Wie kann man seine Geliebte nur ins Theater ausführen, wo doch die Zubereitung einer weiblichen Leiche viel unterhaltsamer ist?“ – darauf hat das Stadttheater Konstanz auch keine Antwort, haben doch offensichtlich viele Paare die Freilichtbühne beim Münster in Konstanz einer Sezierung vorgezogen. Gespielt wird diesen Sommer Molières bekannte Komödie „Der eingebildete Kranke“, die sich um einen hoffnungslosen Hypochonder dreht. Genau das richtige, um nach der Corona-Pandemie in ansteckenden Galgenhumor zu fliehen.
Der Protagonist Argan nimmt die Leiden der Welt sehr persönlich und erklärt sie kurzerhand zu seinen eigenen. In der festen Überzeugung, alle erdenklichen Symptome verschiedener Krankheiten zu haben, sieht er sich als ein einziges Mangelwesen. Sein Geld steckt er in kostspielige Medikamente und Behandlungen, sodass seitens der Ärzte keinerlei Interesse besteht, dem Patienten seine Bedenken zu nehmen. Die vermeintlichen Götter in Weiß lassen ihn stattdessen regelrecht ausbluten. Angst und Egoismus führen dazu, dass Argan sogar seine Tochter an einen frisch promovierten Arzt verheiraten will – entgegen deren Neigungen für ihre wahre Liebe Cléante.
Weder kann ihn sein Bruder zur Vernunft bringen, noch bemerkt er, dass er von den Medizinern und sogar der Stiefmutter seiner Tochter erbarmungslos ausgebeutet wird. Aus der Misere kann ihn schließlich nur das Schauspiel retten: Argans Haushälterin täuscht ihn mit einer Verkleidung als Arzt und legt ihm das Putzen als heilsame Therapie nahe. Zudem wollen sie und sein Bruder ihm die Augen für die scheinheilige Ehefrau öffnen, indem er sich tot stellen soll. Deren Reaktion zeigt Argan unmissverständlich, dass sie ausschließlich am Erbe seines Vermögens interessiert ist. Seine Tochter dagegen beweist bedingungslose Liebe, obwohl er sie zur unfreiwilligen Ehe drängen wollte. Ein brillantes Theaterspiel, das den eingebildeten Kranken schließlich kuriert.
Neben der stimmungsvollen Naturkulisse des Konstanzer Münsters bewegt die darstellerische Leistung, denn es ist spürbar, dass sich die Schauspieler wohl in ihren Rollen fühlen und sich nicht minder über Molières Komödie amüsieren als die Zuschauer. Deren Entstehungsgeschichte allerdings ist von tragischer Ironie geprägt, denn „Der eingebildete Kranke“ sollte Molières letzte Komödie sein. Er selbst spielte seinerzeit die Hauptfigur Argan, parodierte dessen Todesangst – und verstarb noch im Kostüm an einem plötzlichen Blutsturz. Sein eigener schlechter Gesundheitszustand war keine Einbildung, sondern traurige Realität.
Als Vermächtnis ist ein meisterhaftes Theaterstück geblieben, dass Konstanz noch bis zum 22. Juli auf die Bühne bringt. Ein Spektakel unter freiem Himmel, das für jede Menge Vergnügen sorgt. Für Risiken und Nebenwirkungen, lesen Sie das Theaterprogramm oder erfahren Sie mehr auf der Programmseite des Theaters Konstanz.