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Mehr Genuss am Bodensee: Mammertsberg in Freidorf

Stylisches Fine-Dining

Ein Beitrag von Nico Klemann

Klickt man auf den Wikipediaeintrag von Freidorf TG, so wird man auf den Eintrag von Roggwil weitergeleitet. Grund ist, dass Freidorf eine Ortschaft innerhalb der politischen Gemeinde Roggwil im Bezirk Arbon des Schweizer Kantons Thurgau ist.

Die Einwohnerzahl Roggwils wird mit 3307 angegeben (Stand 2022) und als Sehenswürdigkeiten werden das Schloss Roggwil, das Schloss Mammertshofen und das Restaurant „Traube“ angegeben, welches ohne nähere Erläuterung als „Kulturgut von nationaler Bedeutung“ gilt.

Ein Kulturgut von nationaler Bedeutung ist das Restaurant Mammertsberg offensichtlich noch nicht, denn darüber findet sich kein Wort im Eintrag. Zu jung ist das Restaurant vielleicht, welches 2022 von Silvio Germann und seinem Team übernommen wurde. Germann, der ein Lehrling Andreas Caminadas war, erkochte bereits im IGNIV in Bad Ragaz zwei Michelin Sterne und diverse weitere Auszeichnungen, und das mit einem originellen Sharing-Konzept, welches sehr untypisch für die (oftmals noch sehr traditionelle) Fine-Dining-Szene ist.

Im Mammertsberg gelingt ihm nun eine eindrucksvolle Mischung aus modern, originell, „anders“ und traditionell, typisch, schweizerisch. Aber eins nach dem anderen. 

Das Landschloss Mammertsberg

Der Apéro – so schweizerisch wie das Postwesen

Das Gasthaus – ein altes, hundertjähriges Landschloss – ist komplett modernisiert worden. Von außen klassisches Landschloss, offenbart der Innenbereich eine Fusion aus typisch schweizerischen Holzelementen mit modernem skandinavischem Touch. Verantwortlich für das Innendesign war das Designstudio Space Copenhagen, die bereits im Noma Hand anlegen durften. Dieser skandinavische Stil ist einfach beschreibbar: Viel Holz, viel Hipster, viel Reduktion auf wesentliche Elemente. Die Farben sind eher braun, grau, schwarz und insgesamt kühl gehalten. Das Inventar sehr naturnah und „rau“. Lediglich die strenge Geradlinigkeit der Möbel betrügt ihren rauen Charakter und demonstriert einen Sinn für modernes Stilempfinden. Lampen meiden die Symmetrie und runde Flächenelemente werden spärlich, dafür pointiert gesetzt. Oval sind höchstens das Ei, wenn es sich mal auf der Karte findet, oder die dekorativen Vasen, die rund einfach scheiße aussehen.

Meine Begleitung hatte bereits Ende 2022 verlangt, wir mögen doch bald hierherkommen, und sie grämt mir immer noch etwas, dass wir es nicht waren, ehe das größere Publikum darauf aufmerksam geworden ist, auf diesen Genusstempel im Wikipedia-Nirgendwo.

Nach dem herzlichen Empfang durch den Sommelier und Gastgeber Giuseppe Lo Vasco wurden wir die Treppe hinaufgeführt in den „Apéroraum“. Auf Sofas nahmen wir Platz und sahen einer Gruppe Köche zu, die vor einer minimalistischen Bar, zentral platziert, erste Häppchen vorbereiteten. Wir bestellten unseren Apéro – jeweils einen Bellini und einen „Thurgoni“ (ein Negroni mit ausschließlich Thurgauer Zutaten) ­– und bekamen bald auch die ersten Häppchen.

Schicker Servierwagen; Klare Linien, klare Kreise
Viele leckere Häppchen

Ein gelungener Start soweit. Die Häppchen fielen vor allem durch ihre eher sauer-pikante Intensität auf. Es war ein starkes Spiel der Konsistenzen, mal crunchy, mal weich, mal cremig, alles dabei. Highlight war die Essenz aus Gartenkräutern. Zum Apéro hatten wir Zeit, uns für ein Menü zu entscheiden. Der Gast wählt, ob er 3, 4 oder 5 Gänge haben möchte. Zusätzlich gab es die Option, zwei „Surprise“-Gänge hinzuzubuchen oder gegen Gänge aus dem Menü auszutauschen. Diese „Surprise“-Gänge kosten extra und waren zum einen Schmorbratenravioli aus dem Käselaib und zum anderen Langostino auf dreierlei Art (wobei ehrlich gesagt alles „Suprise“-Gänge für uns waren, da nirgends online das Menü einsehbar gewesen ist). Wir entschieden uns beide für 5-Gänge + Ravioli, wobei ich noch einen Gang (es gab Heilbutt, nicht mein liebster Fisch) gegen den Langostino austauschte.

Nach dem Apéro wurden wir in den Speisesaal geführt. Dieser war über eine Wendeltreppe in der Mitte des Raums erreichbar, die Genusserfahrung erstreckte sich auf zwei Stockwerken.

Radieschen und Saibling
ein geschmorter Kopfsalat

Hier begann dann das Mainevent. Und was für ein Event es war. Kurz gesagt: Es war spektakulär. Ausnahmslos alles. Zur Einstimmung wurden nun in kurzer Abfolge mehrere „Grüße“ serviert. Hier wurde ein ganzes Spektrum von Geschmäckern abgedeckt: von cremig-zwiebelig bei der Roten Beete mit Zwiebel, zu sauer-fruchtig beim Saibling mit Radieschen bis hin zu vollmundig-fleischig bei der Kastanie mit Nussbutter. Letzteres wurde in Form von Gnocchi serviert und war der absolute Hammer (wohl auch bei anderen Gästen, denn wir erfuhren, dass es ein Dauerbrenner war). 

Die dann folgende kalte Forelle mit Gurke bot einen sauer-erfrischenden Einstieg in das „reguläre“ Menü. Der nächste Gang war vegetarisch – Spargel mit Salzzitrone und Shiso – und bot eine gemüsige Note vor dem, was folgen sollte. Denn zum nächsten Gang wurde ein Wagen herangerollt mit einem offenen Käselaib. In diesem wurden die Ravioli umgerührt und von wundervollem Käse ummantelt, bevor sie – samt Klecks Crème – serviert wurden. Es war einer der Zusatzgänge und unglaublich: Es war cremig, fleischig und salzig im besten Sinne. Alles war perfekt abgeschmeckt und trotz des intensiven Geschmacks war das Aroma nicht ermüdend.

Der folgende zweite Überraschungsgang – der Langostino – wurde ebenfalls von einer kleinen Show begleitet: Es wurde eine Gerätschaft an den Tisch gebracht, die an eine Filterkaffeemaschine erinnerte. Der obere Glaskolben war mit Krustentieren, Pilzen und weiteren Dingen gefüllt und der darunterliegende mit Krustentiersud. Am Tisch wurde es noch mal erhitzt, so dass der Sud aufstieg, um noch mehr vom Aroma der Zutaten aufzunehmen (wobei, wenn wir ehrlich sind, hier der Showgedanke im Vordergrund war, denn ich denke nicht, dass noch sonderlich viel Geschmack durch diesen Prozess bei Tisch gewonnen wurde). Serviert wurde dieser Sud dann als Teil des Dreierlei, zusammen mit dem Schwanzstück des Langostino und einem Carpaccio. Auch dieser Gang wieder ein absoluter Hit.

Ein Wachtel Win und okey-dokey Artischocke
Krustentierturm + Essenz

Hätte man mir an diesem Abend einen Esel andrehen wollen, ich hätte ihn gekauft.

Die dann folgende Wachtel mit Artischocke war die Hauptspeise. Einmal die auf einem Holzkohlegrill gebratene Brust, sowie ein Schenkel, welcher separat gereicht wurde, und der von Kräutern ummantelt war. Durch den Grill bekam das Fleisch ein sanftes, holziges Grillaroma und der Gewürzlack auf dem Fleisch gab dem ganzen noch eine abmildernde, süße Note. Ein vollkommen runder Geschmack.

Ich war wie im Himmel und mittlerweile auch relativ angetrunken, denn der empfohlene Wein (vor allem der Weißwein zum Fisch) schmeckte sehr gut. Wäre das meine Henkersmahlzeit – ich hätte nicht gemeckert.

Zum Abschluss gab es zunächst einen weiteren Zusatzgang – ein Prädessert, welches uns vorgeschlagen wurde und wir hinzubuchen konnten. An dieser Stelle Chapeau; Upselling versteht dieses Haus sehr gut. Der stattliche Menüpreis wurde so noch weiter angehoben, aber da alles bisher so wunderbar war (und die schmerzhafte Rechnung noch in weiter Ferne und hinter einem Trunkenheitsschleier verborgen lag), will ich nicht klagen. In solchen Häusern spart man auch nicht. 

Himbeere und Malz...quasi Cheesecake
Abschiedshäppchen und Glückskekse

Ende gut, alles gut

Jedenfalls genossen wir ein Rhabarbersorbet mit Fenchel und zwei Soßen und danach final „Himbeere mit Malz“. Ich erinnere mich noch, dass es eine lange Erklärung zum letzten Gang gab, die ich nicht mehr wiederzugeben weiß. Ich fasse zusammen: Effektiv war es ein Cheesecake mit Himbeere und Malz. Was will man mehr. Was für ein Abschluss. Traumhaft.

Zum „Absacker“ wurden wir dann noch mal nach oben begleitet, in den Apéroraum. Dort bekamen wir noch einige letzte Häppchen – darunter auch einen Glückskeks samt handgeschriebener Weisheit –, einen Schnaps und die „Dolorosa“ – die Rechnung.

Was bleibt zu sagen? Nicht mehr viel, denn ich habe schon sehr viel gesagt. Es war wundervoll. Mittlerweile wird in solchen Sphären nicht mehr einfach nur Essen serviert, es wird eine Geschichte erzählt, ein Konzept vermittelt. Der Koch ist nicht mehr nur Koch, er ist Regisseur, der Tisch die Bühne, der Service die Choreo und das Essen der Plot. Wie bei einem guten Film stimmen hier alle Elemente. Der Service war tadellos und sehr engagiert (wir bekamen sogar die Küche und den Weinkeller gezeigt!), das Essen hervorragend, die Inneneinrichtung schick und kleinere Details, wie die Showelemente, der Glückskeks oder das kleine Mitnehm-Büchlein zur Geschichte des Hauses, rundeten das Erlebnis ab.

Mammertsberg mag vielleicht noch kein Kulturgut nationaler Bedeutung wie die „Traube“ sein, aber das Haus ist auf dem besten Wege dahin. Ich freue mich schon auf meinen nächsten Besuch.

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